Tempel im Friedensreich (Hesekiels Tempelvision)
Ein Abschnitt der vielen Gläubigen Kopfzerbrechen bereitet ist die Vision Hesekiels vom wiederhergestellten Jerusalem. Warum wird wieder geopfert? Hat Jesus nicht alles bezahlt?
Das Buch Hesekiel kann in drei Abschnitte eingeteilt werden:
• Gericht über Jerusalem (Hesekiel 1-24)
• Gericht über fremde Völker (Hesekiel 25-32)
• Wiederherstellung Jerusalems und zukünftiger Segen (Hesekiel 33-48)
Die dreigeteilte Struktur finden wir auch bei Jesaja und Zephanja. Die ersten Jahre seines Dienstes betrafen die unmittelbaren Ereignisse über Jerusalem. Erst mit dem Boten in Hesekiel 33,21 werden zukünftige Ereignisse aufgezeigt.
Die Vision vom wiederhergestellten Tempel in Jerusalem ist wie folgt aufgeteilt:
• Grundriss des neuen Tempels, Vorhöfe, Tore, Hallen, innere Räume, Vermessung (Hesekiel 40-42)
• Einzug der Herrlichkeit JHWHs - Einweihung des Brandopferaltars (Hesekiel 43)
• Diener des Heiligtums (Hesekiel 44)
• Aufteilung des Landes um den Tempelbezirk - Pflichten und Opfer der Fürsten - Festtage (Hesekiel 45)
• Vorschriften für Festtage, für Fürst und Volk und für die Opferküchen (Hesekiel 46)
• Das Wasser aus dem Tempel, Grenzen, Aufteilung des Landes, Stadt, Tore und ihr Name (Hesekiel 47-48)
Endzeitliche Einordnung:
Das Buch Hesekiel wurde ca. 580 v.Chr. beschrieben. Der Tempel Serubbabels (516 v.Chr. - 36 v.Chr.) entsprach wohl in seinen Abmessungen dem Tempel Salomons (1009 v.Chr. - 586 v.Chr.), doch die Bundeslade fehlte, und die Ausstattung war mit dem einstigen Prunk nicht zu vergleichen. Ein neuer und mit der Grundfläche von zweieinhalb Quadratkilometern wesentlich grösserer Tempel wird in der Zukunft entstehen (Hesekiel 40,48–41,26). In den kriegerischen Wirren der Jahrhunderte wurde der Zweite Tempel mehrmals geplündert und beschädigt. So entstand unter Herodes (36 v.Chr. - 70 n.Chr.) der beeindruckende Tempelbau, in dem einst Jesus lehrte. Manche sprechen vom Tempel des Herodes als dem „Dritten Tempel“, in dem der Messias predigte, doch in der jüdischen Zählung ist er, unabhängig von verschiedenen Renovierungen und dem Umbau des Herodes, noch immer der Zweite Tempel. Der Tempel des Herodes stand nur bis zum Jahre 70.
Schon zur Zeit Abrams und Melchisedeks wird vom Salzmeer berichtet (1. Mose 14,3 vgl. 4. Mose 34,12; 5. Mose 3,17). Floss aus einem der nachfolgenden Tempel Wasser zum Toten Meer und machte das Meer gesund? (Hesekiel 47,1-12, vgl. Sacharja 14,8; Offenbarung 22,1) Keiner dieser Tempel erfüllte die Vision Hesekiels. Nun gibt es die Möglichkeit diesen Abschnitt zu "vergeistlichen". Dieses Vorgehen wird gerne eingesetzt, um "unpassendes" passend zu machen. Alle Kapitel, die den eigenen Denkvoraussetzungen nicht entsprechen, bekommen eine neue Bedeutung. Ob dieses Rätselraten eine biblische Grundlage hat?
Die Formulierung des amerikanischen Theologen David L. Cooper wird auch die goldene Regel der Auslegung genannt:
„Wenn der einfache Sinn einer Schriftstelle dem gesunden Menschenverstand einleuchtet, dann suche keinen anderen Sinn; versuche deshalb, jedes Wort in seiner ursprünglichen, einfachen, gewöhnlichen und wörtlichen Bedeutung zu erfassen, wenn nicht der unmittelbare Textzusammenhang – im Licht anderer, ähnlicher biblische Aussagen und unumstösslicher, fundamentaler Wahrheiten betrachtet – deutlich in eine andere Richtung weist.“
Das natürlichste ist es, Hesekiel so zu lesen, wie er es uns schildert. Hier handelt es sich um einen idealen Tempel, der am "Ende der Zeit" in der Zukunft stehen wird. Es ist eine Beschreibung des Tempels im messianischen Friedensreich. Die detaillierten Beschreibungen gleichen einem Bauplan. Die Anweisungen in Hesekiel 40-48 ähneln der Anweisungen an Mose zum Bau der Stiftshütte und der Anweisung für den salomonischen Tempel. Diese Details verlieren ihren Sinn, wenn sie nicht wörtlich zu verstehen sind. Wären diese Details symbolisch gemeint, fänden wir eine Erklärung der Symbole.
Wer baut den 3. Tempel?
Selbstverständlich gibt es nur einen, der dafür in Frage kommt. Genau genommen ist der Messias der Auftraggeber. Es werden viele am 3. Tempel bauen (Sach 6,15). Auch hier lässt uns die Bibel nicht im Unklaren:
So spricht JHWH der Heerscharen und sagt: Siehe, ein Mann, sein Name ist Sproß; und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel JHWHs bauen. Ja, er wird den Tempel JHWHs bauen; und er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Throne sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Throne; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein. (Sacharja 6,12-13)
Wer ist im Allerheiligsten?
Hesekiel selber glaubte, der Tempel sei Wirklichkeit und das zukünftige Zuhause JHWHs.
Und er führte mich zum Tore, dem Tore, das gegen Osten sah. Und siehe, die Herrlichkeit des Gottes Israels kam von Osten her; und ihr Rauschen war wie das Rauschen grosser Wasser, und die Erde leuchtete von seiner Herrlichkeit. Und das Ansehen des Gesichtes, das ich sah, war wie das Gesicht, welches ich gesehen hatte, als ich kam, um die Stadt zu verderben; und es waren Gesichte wie das Gesicht, welches ich am Flusse Kebar gesehen hatte. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht. Und die Herrlichkeit JHWHs kam in das Haus, den Weg des Tores, welches gegen Osten gerichtet war. Und der Geist hob mich empor und brachte mich in den inneren Vorhof; und siehe, die Herrlichkeit JHWHs erfüllte das Haus. (Hesekiel 43,1-5)
Es ist verständlich, dass Trinitarier zusätzliche Schwierigkeiten haben diese Verse zu verstehen, wo doch Jesus auf dem Ölberg stehen wird (Sacharja 14,4), wie es die Engel angekündigt haben (Apostelgeschichte 1,10). Gott JHWH wird in seiner Herrlichkeit in das Allerheiligste einziehen. Im Allerheiligsten wird Gott JHWH sein, nicht der Messias oder die katholische Dreifaltigkeit. JHWH ist hier (Hesekiel 48,35) und bleibt ewiglich (Hesekiel 37,26-27).
Und er führte mich zurück des Weges zum äusseren Tore des Heiligtums, welches gegen Osten sah; und es war verschlossen. Und JHWH sprach zu mir: Dieses Tor soll verschlossen sein; es soll nicht geöffnet werden, und niemand soll durch dasselbe eingehen; weil JHWH, der Gott Israels, durch dasselbe eingezogen ist, so soll es verschlossen sein. Was den Fürsten betrifft, er, der Fürst, soll darin sitzen, um zu essen vor JHWH; auf dem Wege der Torhalle soll er hineingehen, und auf demselben Wege soll er hinausgehen.(Hesekiel 44,1-3)
Die Offenbarung bestätigt Hesekiels Vision.
Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. (Offenbarung 21,3)
In den Kapiteln 40-48 wird der Messias nicht erwähnt. Für manche Bibelausleger ist das ein Problem. Es gibt evangelikale Lehrer, welche ihre Schüler dazu anhalten, Jesus in jedem Vers der Bibel zu suchen und zu finden. Es ist ein falscher Ansatz und kann nur zu falschen Schlussfolgerungen führen. Hier geht es um Gott JHWH und sein Ziel mit den Menschen. Gott JHWH ist wieder bei den Menschen und die theokratische Weltregierung wird durch den Messias in Jerusalem ausgeführt. Jesus ist der Weg und Gott JHWH das Ziel (vgl. Johannes 14,6; Matthäus 11,27; Johannes 10,9; Römer 5,1-2; Hebräer 10,20).
Opfer im Tausendjährigen Reich?
Das Hauptargument gegen eine wörtliche Auslegung ist die angebliche Rückkehr zu den Opfergesetzen des Alten Bundes. Wozu ist der Messias dann gestorben und auferstanden (vgl. Hebräer 10,14)? Die zukünftige Einführung von Opfern ist keine Rückkehr zu den mosaischen Gesetzen des Alten Bundes. Christus hat das mosaische Gesetz erfüllt (vgl. Römer 6,14-15; 7,1-6; 1. Korinther 9,20-21; 2. Korinther 3,7-11; Galater 4,1-7; 5,18; Epheser 2-3; Hebräer 7,12; 8,6-7.13; 10,1-14).
Vier Propheten bestätigen Hesekiels Opfersystem im Tempel des Tausendjährigen Reiches (vgl. Jesaja 56,7; 66,20-23; Jeremia 33,18; Sacharja 14,16-21; Maleachi 3,3-4). Im Tausendjährigen Reich wird der Neue Bund mit Israel zum geltenden Recht werden (5. Mose 29,4; 30,6; Jesaja 59,20-21; 61,8-9; Jeremia 31,31-40; 32,37-40; 50,4-5; Hesekiel 11,19-20; 16,60- 63; 34,25-26; 36,24-32; 37,21-28; Sacharja 9,11; 12,10-14; Micha 4).
Denn wenn das Priestertum geändert wird, so findet notwendig auch eine Änderung des Gesetzes statt. (Hebräer 7,12). Eine neue priesterliche Ordnung der Söhne Zadoks (Hesekiel 40,46; 43,19; 44,15; 48,11) ersetzen das levitische Priestertum (Hesekiel 44,10). Die neuen Gesetze des Tausendjährigen Reiches können Elemente der 613 mosaischen Gebote haben. Sie unterliegen jedoch der Neuen Rechtsordnung.
Die zukünftigen Tieropfer dienen dazu, den Tempel vor Verunreinigung und Schändung zu bewahren. Dies ist notwendig, weil die Herrlichkeit JHWHs auf der Erde sein wird, inmitten einer noch sündigen Welt. Viele Opfer der mosaischen Ordnung dienten der rituellen Reinigung. In Hesekiel 43,20 und 26 wird die Sühnung ausdrücklich zur Reinigung des Altars angeordnet.
Die Gläubigen der ersten Auferstehung (Offenbarung 20,6), am Anfang des Tausendjährigen Reiches, werden durch Gott JHWH in einem Zustand der Unsterblichkeit gehalten (Lukas 20,35-36; 2. Petrus 1,4; Philipper 3,21). Es ist ein Versprechen des Schöpfers. Sie sind und bleiben unsterblich, weil sie durch Jesu Tod auf ewig gereinigt sind. Es existiert kein Zielkonflikt zwischen dem Opfertod Jesu und Hesekiels Tempelvision. Der Opfertod Jesu wird auch in Zukunft Menschen zur Wahrheit führen.
Der neue Anfang
Die aus allen Völkern bestehende Koalition, die gegen Israel ziehen, werden vollständig vernichtet werden (Hesekiel 38, Sacharja 14,12-13). Die Souverenität JHWHs wird von vielen Nationen anerkannt werden. Doch die Sünde bleibt auf Erden. Durch Gottes Gegenwart auf Erden brauchen die Menschen weiterhin den Tempel.
Im Tausendjährigen Reich wird Israel weiterhin eine Schlüsselrolle als das Mittlervolk Gottes haben (vgl. Sacharja 8,20-23). Die Grenzen des wiederhergestellten Landes ähneln den Landesgrenzen unter König David und Salomo. Jedoch soll das Land östlich des Jordan (Gilead, Transjordanien) nicht Teil des neuen Erbteiles sein (vgl. Hesekiel 47,13-19). Es gehört nicht zu dem verheissenden Land. Die Stämme sind nicht so angeordnet, wie bei der Landesverteilung unter Josua (Josua 13-19). Auch durch diese Anpassung wird Gott JHWH etwas Neues schaffen. Das Zentrum des Landes wird für den Glauben und die Regierung benötigt. Nördlich des zentralen Bezirks siedeln die sieben Stämme: Dan, Asser, Naphtali, Manasse, Ephraim, Ruben und Juda. Südlich des zentralen Bezirks: Benjamin, Simeon, Issaschar, Sebulon und Gad (vgl. Hesekiel 47,21-48,29).