Menschenfurcht oder Gottesfurcht?
Menschenfurcht und Menschengefälligkeit sind die zwei gefährlichsten Klippen, an denen unser Gewissen am ehesten Schiffbruch erleiden kann, wenn unser Lehrer und Meister nicht am Ruder sitzt.
Johann Georg Hamann (1730-1788) Philosoph und Schriftsteller
Vorgeschichte
Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie erkannten, daß sie nackt waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen. Und sie hörten die Stimme JHWHs Gottes, der im Garten wandelte bei der Kühle des Tages. Und der Mensch und sein Weib versteckten sich vor dem Angesicht JHWHs Gottes mitten unter die Bäume des Gartens. Und JHWH Gott rief den Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten, und ich fürchtete mich, denn ich bin nackt, und ich versteckte mich. (1. Mose 3,7-10)
Mit dem Sündenfall wurden die Menschen verletzlich. Es setze ein Schamgefühl ein, den Adam und Eva erkannten, dass sie nackt waren. Sie empfanden Angst und versteckten sich. Hier finden wir auch das erste Tieropfer in der Bibel. Für die Bekleidung (Felle vgl. 1. Mose 3,21) mussten Tiere sterben. Seitdem ist das Entblöstsein eine Schande im jüdischen Kulturkreis. Noah verfluchte die Nachkommen Hams, weil er die Blösse seines Vaters schaute und sich wohlmöglich noch darüber lustig gemacht hatte (vgl. 1. Mose 9,22).
Die Scham ist eine Folge der Sünde. Es kann aber auch von Aussen an jemanden herangetragen werden. Wenn jemand vergewaltigt wird, spricht die Bibel von Schändung oder Schwächung. Die Sünde kann somit auch von Aussen an jemanden herangetragen werden ohne eigenes Zutun. Es kann sich auch um Dinge handeln. Der Tempel wurde "entweiht", als unreine Menschen in ihn eintraten (vgl. Psalm 79).
Im Zusammenhang mit Schamerkrankungen kann Scham am ehesten definiert werden als die Angst davor, sich der Kränkung anderer auszusetzen, sich bloßzustellen, wie auch davor andere zu enthüllen. Scham erscheint als die Furcht, zu sehen und gesehen zu werden, allgemeiner: wahrzunehmen und wahrgenommen zu werden.
Léon Wurmser - Psychiater und Psychoanalytiker
Die Medizin erkennt den Zusammenhang zwischen Scham und Angst. Als Ausdruck von Schamerkrankungen finden sich dann gehäuft depressive Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen.
Menschenfurcht in der Bibel
Die Angst blossgestellt zu werden (Scham) ist ein Aspekt. Ein weiterer Punkt ist die Angst vor Ablehnung. Mose wusste, wie leicht wir die Meinung anderer überschätzen, bestimmte Menschen bevorzugen oder höher achten als andere. Uns vor denen fürchten, die wir für wichtig halten aus Angst von denen abgelehnt zu werden.
Ihr sollt nicht die Person ansehen im Gericht; den Kleinen wie den Großen sollt ihr hören; ihr sollt euch vor niemand fürchten, denn das Gericht ist Gottes. Die Sache aber, die zu schwierig für euch ist, sollt ihr vor mich bringen, daß ich sie höre. (5. Mose 1,17 vgl. 2. Mose 21,6; 5. Mose 16,19)
König Saul fürchtete die Ablehnung des Volkes. Saul bekommt den Befehl die Amalekiter komplett auszulöschen. Doch Saul verschonte den König der Amalekiter und die besten Schafe, Rinder, Lämmer und alles was von Wert war (1. Samuel 15,9). Saul rechtfertigte sich wie folgt:
Und Saul sprach zu Samuel: Ich habe gesündigt, daß ich den Befehl JHWHs und deine Worte übertreten habe; denn ich habe das Volk gefürchtet und auf seine Stimme gehört. (1. Samuel 15,24)
Die Menschenfurcht verhinderte auch die Einnahme des gelobten Landes. Die Angst vor den Kanaanitern war so gross, dass eine ganze Generation in der Wüste sterben musste. Moses Aufforderung doch keine Angst zu haben wurde ignoriert (vgl. 4. Mose 14,9).
Des Weiteren kann die Angst vor Schwierigkeiten dazu führen, dass man Gott nicht gehorcht. Abraham präsentierte seine Frau als seine Schwester und nur Gottes Eingreifen verhinderte, dass Abimelech sich an der Frau Abrahams vergriff.
Auch zu Jesu Zeiten finden sich etliche Beispiele von Menschenfurcht. Viele glaubten Jesus doch fürchtete sie sich vor der Reaktion der Menschen.
Dennoch aber glaubten auch von den Obersten viele an ihn; doch wegen der Pharisäer bekannten sie ihn nicht, auf daß sie nicht aus der Synagoge ausgeschlossen würden; denn sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott. (Johannes 12,42-43)
Die Krankheit der Menschenfurcht steckt in jedem von uns. Auch der tapfere Petrus verleugnete am Ende seinen Messias. Letztendlich führt die Menschenfurcht zu Unglaube und Ungehorsam.
Es geht hier nicht um die Angst, wie sie z.B. David hatte, als er von seinen Feinden verfolgt wurde. Problematisch wird es, wenn man Gott vergisst oder Gott JHWH durch seine Götzen ersetzt.
Abgötterei
Vieles wird vergöttert, weil man sich etwas davon verspricht. Wir beten das an, weil wir meinen dieses "Etwas" habe Macht uns etwas Bestimmtes zu geben. Das goldene Kalb am Berge Sinai ist dabei nur ein tragischer Höhepunkt der Geschichte. Es spielt letztlich keine Rolle, was der Gegenstand der Anbetung ist. Das Problem ist die Herzenshaltung. Der Mensch macht sich Abhängig von seinen Götzen. Der Götze fängt an uns zu kontrollieren.
Der Mensch ist persönlich, aber endlich, begrenzt und reicht somit als Integrationspunkt für sich selbst nicht aus. Ein endlicher Punkt habe nur dann einen Sinn, wenn er einen unendlichen Bezugspunkt habe.
Jean-Paul Sartre (1905-1980), Philosoph
Diese Aussage ist überwältigend, auch wenn sie von einem Atheisten stammt. Wir benötigen einen fixen Bezugspunkt. Dieser Fixpunkt ist Gott JHWH. Daher ist der biblische Monotheismus elementar notwendig für das wachsen im Glauben. Manche Fragen sich, weshalb wir so ein Augenmerk auf das Erste Gebot legen (Mk 12,29). Viele sind sich der Tragweite dieses Gebotes nicht bewusst. Wir müssen wissen, dass dieser Gott JHWH eine Person ist, das er unendlich ist und das niemand in gesehen hat.
Die Furcht JHWHs ist der Erkenntnis Anfang; die Narren verachten Weisheit und Unterweisung. (Sprüche 1,7)
Es ist wichtig zu wissen, wer der Vater JHWH ist. Manche versuchen dies zu verhindern, indem sie statt JHWH, ca. 7000-mal das Wort "Herr" einsetzen. Es ist die grösste Bibelfälschung über die sich niemand aufzuregen scheint. Die Personalität des Vaters verschwindet in einem nachbiblischen Dogma mit verheerenden Auswirkungen. Das ist Verwirrung und spielt denen in die Hände, welche ein Interesse an undurchsichtigen Aussagen haben. Die Trinitätslehre ist ebenfalls nur Menschenfurcht.
Denn alle Götter der Völker sind Nichtigkeiten [Götzen], aber JHWH hat die Himmel gemacht. (Psalm 96,5)
Bedenkliche Entwicklungen
Das Minderwertigkeitsgefühl ist die heute populäre Form der biblischen Scham oder Nacktheit. Hier setzen viele Bücher der letzten Jahrzehnte an, um das vermeintliche Problem des mangelnden Selbstbewusstseins zu bekämpfen und dem Menschen zurückzugeben. Man kann sich das vorstellen wie einen Becher der ein Leck hat und es dauernd heraustropft.
Im folgenden Beispiele sollen nur beispielhaft aufzeigen, welche folgen Menschenfurcht mit sich bringt. Manche Gemeinden versuchen ihre Mitglieder dazu zu bringen, etwas mehr von Gott zu "spüren". Es geht darum etwas mit Gott zu erleben. Andere Betonen die Emotionen im Liedgut und in den Predigten. Hier besteht die Gefahr, dass man sich um sich selbst dreht, schliesslich will "man" ja etwas "erleben". Diese Form der "Spiritualität" finden wir in vielen Bewegungen der heutigen Zeit. Es geht oftmals um die Psychologisierung des Glaubens. Der Mensch wird als defizitäres Objekt betrachtet und soll durch seine "fehlenden" Bedürfnisse wieder gesund werden. Es erinnert ein wenig an die Maslowsche Bedürfnisspyramide. Geht es somit um Gott und seine Verheissungen oder unsere ungestillten Bedürfnisse und die Erfüllung derselben? Jesus sagt aber etwas anderes. Wir sind kein tropfender Becher, der ein Leck hat. Ganz im Gegenteil.
Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. (Johannes 7,38)
Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fließt über. (Psalm 23,5)
Eine falsche Grundannahme führt unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen. Viele unser Bedürfnisse sind egoistischen Charakters. Manche Glaubensgemeinschaften haben sich auf diesen Trend eingerichtet. Sie bauen den Gottesdienst so um, dass die Menschen sich wohlfühlen. Der "Kunde" soll ja nicht vergrault werden. Themen wie Sünde kann man auch "positiver" umformulieren. Die Predigten werden zu Wohlfühloasen, welche so aufgebaut sein müssen, dass die Dosis eine Woche anhält. Danach ist man dann bereit für die nächste Sitzung. Das menschliche Herz kennt unendlich viele Strategien um nicht Gott JHWH zu fürchten.
Unser Becher den wir Füllen wollen ist grenzenlos. Somit können wir nur verlieren. Gott will durch Jesus nicht unsere Bedürfnisse erfüllen, sondern sie zerbrechen. Jesus sagt es ja, wir sollen zuerst nach dem Reich Gottes trachten, alles andere wird uns zufallen.
Eine schlechte Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe runterboxen, Stufe für Stufe.“
Mark Twain
Es ist ein täglicher Kampf. Wir müssen unseren alten Adam austrocknen und die Treppe runterprügeln, Tag für Tag. Unser sündiges Wesen muss erkannt und sollte nicht kultiviert werden. Gott JHWH lässt es nicht zu, dass der Mensch sich überhebt. Die Sintflut oder der Turmbau zu Babel sind Zeugnisse davon. Früher oder später wird man auf die Nase fallen.
Wenn wir anfangen den alten Adam in uns zu kultivieren, lösen wir das Problem nicht. Viele suchen nach persönlichen Wohlbefinden und wollen es sich im "Jetzt" bequem machen. Der Fokus auf das Goldene Zeitalter geht verloren. Wozu soll Jesus noch widerkommen? Was wollen wir ihm denn sagen? "Danke Jesus das du da bist, aber eigentlich brauchen wir dich nicht. Setzt dich einfach zu uns, es geht uns sehr gut". Wir verlieren wesentliche Elemente unseres Glaubens, wie die Verheissungen in der Zukunft.
Gottesfurcht als Befreiung
Menschenfurcht legt einen Fallstrick; wer aber auf JHWH vertraut, wird in Sicherheit gesetzt. (Sprüche 29,25)
Die Menschenfurcht ist ein fester Bestandteil unseres von der Sünde verdorbenen Wesens. Die Trennung von Gott im Garten Eden führte zu Scham und Angst. Tief verwurzelt in der Gottesfurcht ist unser Bruder Jesus. Jesus sagt:
Ich nehme nicht Ehre von Menschen (Johannes 5,41).
Und sie senden ihre Jünger mit den Herodianern zu ihm und sagen: Lehrer, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst und dich um niemand kümmerst, denn du siehst nicht auf die Person der Menschen; (Matthäus 22,16)
Paulus sagt es folgendermassen:
Denn unsere Ermahnung war nicht aus Betrug, noch aus Unreinigkeit, noch mit List; sondern so, wie wir von Gott bewährt worden sind, mit dem Evangelium betraut zu werden, also reden wir, nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft. (1. Thessalonicher 2,3-4)
So spricht JHWH: Verflucht ist der Mann, der auf den Menschen vertraut und Fleisch zu seinem Arme macht, und dessen Herz von JHWH weicht! Und er wird sein wie ein Entblößter in der Steppe und nicht sehen, daß Gutes kommt; und an dürren Örtern in der Wüste wird er wohnen, in einem salzigen und unbewohnten Lande. Gesegnet ist der Mann, der auf JHWH vertraut und dessen Vertrauen JHWH ist! (Jeremia 17,5-8)
Wir bewegen uns ständig auf einer Skala zwischen Menschenfurcht und Gottesfurcht. Das tanzen auch zwei Hochzeiten wird sich langfristig nicht auszahlen.
Und JHWH antwortete Hiob aus dem Sturme und sprach: Wer ist es, der den Rat verdunkelt mit Worten ohne Erkenntnis?Gürte doch wie ein Mann deine Lenden; so will ich dich fragen, und du belehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gründete? Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest! Wer hat ihre Maße bestimmt, wenn du es weißt? Oder wer hat über sie die Meßschnur gezogen? In was wurden ihre Grundfesten eingesenkt? Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als die Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten? (Hiob 38,1-7)
Hiob ist sprachlos nach der Rede über 4 Kapitel in der Bibel. Gott ist so heilig und Hiob erkennt, dass er schuldig ist und tut Busse in Staub und Asche (Hiob 42,6). Demut und Reue sind ein untrügerisches Zeichen, dass wir dabei sind die Furcht JHWHs zu lernen. Eine Mensch der Gott JHWH fürchtet, fürchtet sonst nichts. Davor hat der "alte Adam" in uns am meisten Angst. Wie bei Hiob bedeutet die Gegenwart Gottes, dass alles was uns bis dahin beherrscht hat, seine Macht verliert.
Diese Ehrfrucht zieht uns zu Gott. Sie lässt und tiefer ins Gebetsleben eintauchen und tiefer in die Bibel blicken. Und wie steht es um unsere Bedürfnisse?
Fürchtet JHWH, ihr seine Heiligen! denn keinen Mangel haben, die ihn fürchten. (Psalm 34,9)
Der Hauptzweck ist es Gott zu verherrlichen und sich ewig an ihn zu erfreuen. Es geht in erster Linie um Gott und nicht um uns. Wir sollen zuerst nach dem Reich Gottes trachten (vgl. Lukas 12,31).
Die schönste Liebesgeschichte in der Bibel
Gott sagt im Grunde zu Hosea: "Hosea, wir beide schenken unsere Herzen jemanden, der uns ablehnt". Die treue Hoseas ist ein Abbild der Treue Gottes zu uns. Gomer lief ihren Liebhabern nach, obwohl Hosea für sie sorgte. Doch irgendwann wurde auch Gomer von ihren Liebhabern fallen gelassen. Sie landete als Sklavin auf dem Markt. Hosea bezahlte den Preis und nahm sie als Frau zurück. Er bedeckte ihre Blösse. Die Liebesgeschichte von Hosea und der Hure Gomer ist eine Vorschattung auf die Heilstat Jesu am Kreuz auf Golgata. Die Blösse aus dem Garten wird nun zugedeckt durch die Gnade des Vaters JHWH in Jesus Christus.
wenn wir untreu sind, er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen. (2. Timotheus 2,13)