Ein Brief an meinen Pastor
Lieber Pastor …
Am vergangenen Sonntag hast du in deiner Predigt mit dem Thema „Gott der Sohn“ deine Gründe dargelegt, warum wir glauben können, dass „Jesus beansprucht hat Gott zu sein“. An diesem Sonntag schriebst du auch in deinen redaktionellen Anmerkungen auf der ersten Seite des wöchentlich erscheinenden Gemeindebriefs, dass „die Ablehnung, dass Jesus Gott ist, auch eine Ablehnung des Evangeliums ist“.
Mit deinen öffentlichen Darlegungen hast du mich sodann zu einem Verleugner Jesu und seines Evangeliums erklärt, denn nach vielen Jahren eines von Gebet begleitetes Studierens der Schrift muss ich, bei allem Respekt, deiner Position widersprechen, dass Jesus der Allmächtige GOTT ist. Das allein bedeutet nicht, dass ich zwangsläufig recht habe, aber es sollte uns dazu bringen, dass wir uns neu unserem himmlischen Vater unterstellen, mit der festen Absicht, uns der Autorität der Schrift zu beugen, die Jesus so geliebt und gelebt hat.
Die Gemeinden Christi haben immer gesagt: „Wo die Bibel spricht, da sprechen wir und wo die Bibel schweigt, da schweigen wir.“ Aus unserer Tradition heraus haben wir festgelegt, dass immer dann, wenn wir biblische Worte, biblische Begriffe, biblische Formulierungen nicht verwenden können, um unsere Lehre damit zu formulieren, die große Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie nicht aus der Bibel stammt, sondern sich auf menschliche Sophisterei gründet. Ich habe dich wiederholt gebeten, mir nur einen einzigen Bibelvers zu nennen, in dem Jesus „Gott der Sohn“ genannt wird, was du aber bis zu dem heutigen Tag nicht getan hast. Ein einziger Vers, in dem steht: „Gott ist drei Personen in einem Wesen“ würde mich überzeugen. Nur einer! Zuerst wollte ich die Ereignisse des letzten Sonntags nicht kommentieren, aber als ich am folgenden Morgen um Viertel nach Drei für dich gebetet habe, fühlte ich mich vom Geist GOTTES getrieben, dir mit der Hoffnung schreiben zu sollen, dass wir gemeinsam darüber nachdenken sollten.
Im Gehorsam gegenüber dieser Aufforderung schreibe ich dir deshalb persönlich und, wie ich hoffe, freundlich. Ich möchte die aufgeworfenen Fragen gemeinsam mit dir in einer sachlichen und freundlichen Weise ansprechen, mit der Absicht, auf Jesus zu hören und ihn korrekt wiederzugeben.
Ich glaube, dass du aufrichtig in deinem Glauben bist und dass du wirklich glaubst, dass du Jesus erfreust. Allerdings ist es keineswegs ausgeschlossen, dass man mit einem aufrichtigen Herzen falsch liegen kann … und es ist klar, dass einer von uns in dieser Frage falsch liegt.
Eine ungeprüfte Tradition kann „das Wort GOTTES ungültig machen“ (Mark 7, 13). Manchmal hält uns unsere Stellung als Pastor oder Leiter einer Gemeinde davon ab, neue Einsichten zu erlangen, weil wir bei einer Glaubensgemeinschaft angestellt sind, und weil deren Glaubensvorstellungen zu widersprechen, bedeutet, den Job zu verlieren und bei Menschen in schlechten Ruf zu gelangen. Aber wenn wir Menschen statt GOTT gefallen wollen, dann können wir nicht Christi Knecht sein (Gal 1, 10).
Wenn wir sagen, wir lieben und beten den Jesus der Bibel an, aber zur gleichen Zeit nicht auf seine Worte hören, dann bedeutet das letztendlich, dass wir ihn nicht lieben und nicht respektieren. Es ist eine sehr schlimme Sache, jemanden wissentlich oder unwissentlich falsch darzustellen, aber es ist noch viel schlimmer, wenn es dabei um die Darstellung Jesu Christi geht, von dem GOTT sagt: „Dieser ist MEIN auserwählter Sohn, ihn hört!“
Ein Beispiel.
Ich könnte eine Reihe von Versen heranziehen, die du am vergangenen Sonntag zitiert hast, und dir, wie ich glaube, fundierte exegetische Gründe nennen, warum sie das nicht sagen, was du gesagt hast. Aber ich will nur ein Beispiel anführen: Du behauptetest, dass Jesus in Johannes 8, 58 Anspruch auf den göttlichen Namen aus 2. Mose 3, 14 erhoben hat. Weil Jesus laut unseren Übersetzungen sagt: „Ich bin“, wird die Verbindung hergestellt, dass er mit diesen Worten Anspruch auf den Namen GOTTES erhoben hat. Ist das wirklich der Fall? Ich behaupte, dass, wenn man sowohl dem Kontext als auch der Grammatik die entsprechende Aufmerksamkeit schenkt --- auf beides hast du keinen Bezug genommen ---, dann diese Schlussfolgerung aufgehoben wird.
DER KONTEXT.
Der alte Grundsatz, dass „ein Text ohne Kontext nur wie ein Wort ohne Bestimmung ist“, ist in diesem Fall richtig ist. Lass uns doch, bevor wir das „Ich bin“ in Vers 58 auf Null setzen, den richtigen Kontext erfassen, der zu dieser Aussage führt. Jesus hat wiederholt versichert, dass sein Vater die Quelle all dessen ist, was er tut und sagt (V. 12f.). Wenn Jesus sagt, dass er das Licht der Welt ist, dann ist er es, weil er seinen Vater widerspiegelt (V. 14f.). Jesus behauptet, dass er den Auftrag erfüllt, den er von seinem Vater erhalten hat, und er sagt tatsächlich, dass er nichts von sich selbst aus tun kann (V. 28 + 42). Deshalb behauptet Jesus, dass er „allezeit das IHM Wohlgefällige tue“ (V. 29). Der übergeordnete Kontext dieses Kapitels ist eine Verteidigung seiner Legitimation als der Messias, den GOTT beauftragt hat, wovon der größte Teil seiner Zuhörerschaft jedoch nicht überzeugt war.
Ja, sie berufen sich auf die Tatsache, dass sie Abrahams Nachkommen sind (V. 33). Jesus erwidert, dass sie, wenn sie Abrahams Kinder wären, auf seine Worte (Lehre) hören und nicht versuchen würden, ihn, „einen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von GOTT gehört habe“, zu töten (V. 40). Abraham war nicht daran schuld, dass sie ihn so behandelten.
Die Tatsache, dass diese ungläubigen Juden versuchten, Jesus zu ermorden, ist für ihn Beweis genug, dass sie nicht Abrahams Kinder sind, sondern „aus dem Vater, dem Teufel, sind … der ein Menschenmörder von Anfang an war und nicht in der Wahrheit stand, weil keine Wahrheit in ihm ist“, und genauso wollen sie jetzt die Wahrheit nicht annehmen (V. 44 f.). Diese Juden werden jetzt ziemlich persönlich und versteigen sich zu der verrückten Behauptung, dass Jesus ein von Dämonen besessener Samariter ist. (V. 48).
Jesus weist natürlich diesen dämlichen Vorwurf von sich und gibt ihnen eine gnädige Zusage, dass jeder, der seinem Wort und seiner Lehre glauben wird, „den Tod in Ewigkeit nicht sehen wird“ (V. 51).
Diese nicht zu überzeugenden Juden setzten ihre Attacke fort und sagten: „Jetzt erkennen wir, dass du einen Dämon hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sagst: ‚Wenn jemand mein Wort bewahren wird, so wird er den Tod nicht schmecken in Ewigkeit‘“ (V. 52). Sie verstanden Jesus so, als würde er sagen, dass er größer als Abraham und alle jüdischen Propheten ist … „Bist du etwa größer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?“, ---- weil du uns etwas verheißt, was Abraham und die Propheten selbst nicht anbieten konnten, die, wie man sieht, alle gestorben sind (V. 53). Beachte bitte genau, dass diese Juden sich von dem Anspruch Jesu beleidigt fühlten, Abraham überlegen zu sein, weil er behauptete, Ihnen etwas anbieten zu können, was Abraham und die Propheten nicht konnten … ewiges Leben (V. 51).
Für die Juden ist niemand größer als Abraham. Ja, sie verehren Mose als den großen Gesetzgeber, aber für sie ist Abraham dennoch größer als Mose. Abraham ist der Größte von allen! Als Jesus behauptete, dass seine Lehre die Kraft hat, vom Tod zu befreien, „wenn jemand mein Wort bewahren wird“, war dies in ihren Augen eine unerhörte Behauptung, eine Behauptung, etwas vollbringen zu können, was ihre Größten nicht konnten.
Und übersehe bitte Folgendes nicht: Von dem GOTT, von dem die Juden behaupten, dass ER ihr GOTT ist, sagt Jesus, dass ER sein Vater ist. Damit hat Jesus darauf hingewiesen, dass nicht er der GOTT der Juden ist, sondern dass der GOTT der Juden sein Vater ist! Leider kennen diese Nachkommen Abrahams diesen GOTT nicht; Jesus aber kennt IHN (V. 55).
DER UNMITTELBARE KONTEXT
Jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Vers, der in den meisten Kommentaren gewöhnlich gerne weggelassen wird, - der Vers 56. Er steht wirklich vor den Versen 57 und 58! Jesus erklärt diesen Menschen jetzt, die sich immer noch mit der Tatsache trösteten, dass sie GOTTES Volk sind, weil sie direkte Nachkommen Abrahams sind und damit unter dem Bund Israels stehen: „Abraham, euer Vater, jubelte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich“ (V. 58). Achte bitte genau auf das, was Abraham gesehen hat. Abraham jubelte, „dass er meinen Tag sehen sollte.“ Jesus sagt diesen ungläubigen Juden, dass sie keinesfalls so wie ihr Vater Abraham sind, weil er --- anders als sie --- an einen zukünftigen „Tag“ glaubte, als er die Verheißung hörte, dass einer seiner leiblichen Nachkommen der verheißene Messias sein wird. Abraham glaubte der Verheißung GOTTES, dass dieser Tag ganz gewiss kommen wird.
Die Juden jedoch, die den Anspruch erhoben, Söhne Abrahams zu sein, erkannten nicht, dass der, der jetzt wirklich vor ihnen stand, genau derjenige war, den Abraham mit dieser großen Freude erwartet hatte! Der verheißene Tag war gekommen. Abrahams morgen war jetzt ihr „heute“. Wenn Abraham jetzt da wäre, hätte er geglaubt, dass Jesus der Verheißene ist. Anders als sie hätte Abraham den Tag ihrer Heimsuchung erkannt.
Jesus sagt somit diesen Zweiflern, dass er vor Abraham war, in dem Sinne, dass GOTT das Kommen des Messias bereits geplant hat, bevor Abraham geboren war. „Der Tag“ ist das, was Abraham im Glauben sah. Abraham hat nicht „Gott den Sohn“ in seiner sogenannten vorinkarnatorischen Gestalt gesehen, sondern er erwartete „den Tag“, an dem die Verheißung GOTTES Wirklichkeit wird.
Erinnerst du dich an die Verheißung, die GOTT Eva machte, dass ihr „Same“ den Kopf der Schlange zertreten sollte? Bereits im Garten Eden zu der Zeit unserer ersten Eltern hatte GOTT einen kommenden Tag geplant, vorbereitet und angekündigt, an dem der verheißene Erlöser kommen wird, um den Fluch aufzuheben. Noch bevor Abraham lebte, hatte GOTT bereits mit SEINER Planung für die Errettung der Welt begonnen. In diesem Sinne --- in dem Ziel und in dem zuvor festgelegten Plan --- war der Messias vor Abraham. Bevor Abraham geboren war, war dieser Tag bereits geplant! Wie Jesus erklärt hat, sah Abraham „den Tag“ vor seinem geistlichen Auge, denn GOTT hatte ihm diesen gezeigt. Deshalb war Jesus, noch bevor Abraham geboren war, im Geist und im Willen GOTTES bereits vorausbestimmt.
Deshalb ist es erst möglich, den Wortwechsel Jesu mit diesen Juden richtig zu verstehen, wenn wir aus einer „Vogelperspektive“ die Spannungen in diesem verbalen Schlagabtausch erkennen. Direkt zu dem Vers 58 zu springen, wie die meisten es tun, (und wie du es letzten Sonntag getan hast) führt leicht dazu, dass man zum Denken verführt wird, Jesus habe gesagt: „Bevor Abraham lebte, BIN ICH.“ Du hast unserer Gemeinde versichert, dass diese Juden verstanden haben, Jesus habe beansprucht, der ICH BIN aus 2. Mose 3, 14 zu sein. Warum sonst sollten sie Steine aufgehoben haben, um ihn zu töten, wenn er nicht beansprucht hat, der präexistente Gott Israels zu sein? Nach deiner Interpretation wussten diese Juden also, dass Jesus behauptet hat, JAHWE zu sein!
GRAMMATIKALISCHE ÜBERLEGUNGEN
Es gibt auch noch eine kleine wichtige Information aus der Grammatik, die wir bedenken müssen, bevor wir in der Lage sind, dieses Ereignis richtig zu verstehen. Hast du nicht bemerkt, dass Jesus in diesem Kapitel die gleichen Worte bereits vorher zwei Mal verwendet hat, die er jetzt in Vers 58 gebraucht … „Ich bin es“ (ego eimi)? Bereits zwei Mal! Man kann dies sehr leicht übersehen, weil unsere Übersetzer diese gleichen Worte nicht gleich übersetzt haben. Bereits zuvor in den Versen 24 und 28 sagt Jesus zu dieser versammelten Menge: „ego eimi“, wörtlich: „Ich bin“, aber in diesen zwei Fällen innerhalb des gleichen Ge-sprächs fügen die Übersetzer noch das Pronomen „es“ hinzu. Dieses Pronomen ist eine legitime Hinzufügung, weil Jesus in diesem Kontext sagt, dass er der ist, der zur Diskussion steht, auf den man sich bezieht, der das Thema dieses Streitgesprächs ist. In diesen beiden Versen verbinden die Juden ego eimi nicht mit dem Anspruch Jesu, GOTT, d.h. der ICH BIN, zu sein.
Übrigens schreiben die Übersetzer in jeder anderen Stelle im Rest des Johannesevangeliums (und was diese Sache betrifft, auch an jeder Stelle in den synoptischen Evangelien), in der Jesus „ego eimi“ sagt, „Ich bin es“ --- mit dem kleingeschriebenen Pronomen „es“ ---, weil diese Worte ganz offensichtlich die Bedeutung haben, dass Jesus einfach nur sagt: „Ich bin der, der zur Diskussion steht, ich bin der, auf den man sich bezieht; Ich bin es.“
Im Johannesevangelium taucht ego eimi zum ersten Mal im 4. Kapitel auf, wo Jesus mit der samaritischen Frau spricht. Dieses erste Erscheinen gibt uns das Muster vor, wie Johannes ego eimi im Rest seines Evangeliums gebraucht hat. Die zur Diskussion stehende Person ist der kommende Messias, den GOTT verheißen hat. Achte bitte auf den Kontext: „Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus genannt wird; wenn jener kommt, wird er uns alles verkündigen“ (V. 25) Jesus antwortet der Frau: „Ich bin es, der mit dir redet.“ (Im griechischen Text steht für diese Worte Jesu einfach nur: „ego eimi“) (V. 26.)
Es stellt sich die Frage, was unsere Übersetzer daran hindert, hier zu schreiben, dass Jesus sagt: „ICH BIN“? Antwort: Der Kontext erlaubt es nicht. Es geht um den Messias und nicht um den göttlichen Namen oder ob Jesus GOTT ist. Die gleiche Vorgehensweise finden wir auch in Johannes 6, 20, wo Jesus über das Wasser läuft und zu den erschrockenen Jüngern sagt: „Ego eimi“, was in unseren Bibeln übersetzt wird mit: „Ich bin es.“
Beachte auch hier wieder: Keine Großschreibung, weil der Kontext es nicht erlaubt. Definitiv nicht zu übersetzen mit: ICH BIN. Und tatsächlich gibt es im Johannesevangelium auch noch andere Menschen außer Jesus, die sagen: „ego eimi“, wie z.B. den blinden Mann, den Jesus in Johannes 9 geheilt hat. Die Juden fragen sich, ob er wirklich der Mann ist, der immer dort saß, um zu betteln. Einige sagen: „Ja, er ist es.“ Andere sagen: „Nein, er ist ihm nur ähnlich.“ Der Bettler aber sagt: „Ego eimi.“ Das heißt: „Ich bin dieser“ oder „Ich bin es“ (V. 9). Die Aussage des Bettlers, die mit der Aussage Jesu in den vorangegangenen Kapiteln identisch ist, bedeutet nicht: „ICH BIN“!
Das Gleiche finden wir in Johannes 13, 19, wo Jesus sagt: „Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, glaubt, dass ich es bin --- ego eimi.“ Und wieder sagen unsere Übersetzer nicht, dass Jesus hier auf den Namen GOTTES Anspruch erhebt, aus dem offensichtlichen Grund, der sich aus dem Kontext ergibt und von daher eine andere Übersetzung nicht zu rechtfertigen ist. Wie ich gerade aufgezeigt habe, ist Jesus nicht der Einzige, der genau diese Worte benutzt, woraus sich ergibt, dass die Aussage „ego eimi“ allein keine spezifische Erklärung des ewigen Seins ist, die allein der Allmächtige äußert.
Wenn du mir folgen willst, wirst du bemerken, dass von allen Jünger jeder einzelne --- einschließlich Judas (!) --- „ego eimi“ sagt, wenn er seinen Meister fragt, ob er derjenige ist, der seinen Meister Jesus verraten wird (Matth 26, 22+25).
Auch der Erzengel Gabriel stellt sich in Lukas 1, 19 als „ego eimi“ vor. Und Jesus warnt seine Zuhörer, dass viele falsche Messiasse kommen und sagen werden: „ego eimi“ (Matth 24, 5; Mark 13, 6; Luk 21, 8). In Apostelgeschichte 10, 21 sagt der Apostel Petrus „ego eimi“, um sich bei Cornelius vorzustellen. Das Gleiche macht der Apostel Paulus in Apostelgeschichte 26, 29. Die Liste könnte noch weitergeführt werden. Als Fazit ist festzuhalten, dass gerade, weil jemand „ego eimi“ sagt, diese Worte kein Beweis für eine ewige Existenz oder ein Anspruch auf den Namen GOTTES sind!
Insoweit sind alle „Ich bin es“ Aussagen Jesu im Johannesevangelium eindeutig damit erklärt, dass Jesus behauptet hat, der Messias zu sein, den GOTT gesandt hat und der im Namen seines Vaters agiert. Tatsächlich sagt Jesus in dem Streitgespräch mit seinen Verleumdern in Johannes 8 fünf Mal, dass er im Namen und mit voller Unterstützung seines Vaters wirkt. Jesus kann es nicht deutlicher sagen: „Ich bin der Messias, den GOTT gesandt hat“, „Ich bin der verheißene Christus.“ Ihr aber wollt dies nicht hören.
Am Wichtigsten aber ist der Punkt, dass ego eimi niemals isoliert für sich allein steht. Immer haben diese Worte ein Kriterium, auf das das Ich bin bezogen ist. Auch in unserer Sprache sagt man: „Ich bin Ingenieur“ oder „Ich bin Arzt.“ Will die Person, die das sagt, dass du denkst, dass sie ein „Ich bin“ ist oder dass sie ein Ingenieur oder ein Arzt ist?
Wenn Jesus versucht hat, sich auf 2. Mose 3, 14 zu beziehen, und wirklich wollte, dass die Juden glauben sollten, dass er GOTT ist, dann haben wir das grammatische Problem, dass er den Satz mit dem entsprechenden Attribut hätte beenden müssen. Bezugnehmend auf den hebräischen Text oder auf die Septuaginta hätte er diesen Satz mit den Worten „ICH BIN DAS SEIN“ beendet. Wenn Jesus gewollt hätte, sich GOTT gleichzustellen, würde er im griechischen Text gesagt haben: „Esomai ho esomai“, d.h. „ICH werde sein, der ICH sein werde.“ Aber Jesus hat seine Worte weder der griechischsprachigen Entsprechung, noch dem hebräischen Text angepasst, was ich noch beweisen werde.
Was also ist der Unterschied in der „ego eimi“ Aussage Jesu in Vers 58, der uns auf den Gedanken bringt, wir könnten die eben aufgezeigte offensichtliche Übersetzungsweise außer Kraft setzen? Ach so, die Übersetzer denken, --- und sie haben durch ihre Übersetzungsweise von ego eimi sehr viele andere Menschen beeinflusst, zu denken ---, dass Jesus hier sagt, dass er bereits existierte, bevor Abraham geboren war. Die ungläubigen Juden sagten: „Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?“ (V. 57). Legt der unmittelbare Kontext hier also nahe, dass dies eine legitime Schlussfolgerung ist, weil die Juden Steine aufgehoben haben, um Jesus wegen der unverfrorenen Behauptung, GOTT zu sein, zu töten? Man erzählt uns, dass diese Juden verstanden hätten, dass Jesus behauptet hat, der präexis-tente ICH BIN zu sein. Welch eine Frechheit, zu behaupten, älter als Abraham zu sein und vor ihren großen Patriarchen zu präexistieren! Welch eine Gotteslästerung, den Namen GOTTES für sich zu beanspruchen!
Eine interessante Tatsache, die es zu beachten gilt, ist folgende: Wenn Jesus behauptet hat, dass er vor Abraham als Gott der Sohn präexistiert hat, dann wären bei dem Gerichtsverfah-ren gegen Jesus viele Juden aufgestanden und hätten gesagt: „Dieser verrückte Kerl behauptete JAHWE zu sein! Er hat wirklich behauptet, Gott im Fleisch zu sein, weil er gesagt hat, dass er schon ewig existiert hat, noch ehe Abraham geboren war. Wir können alle bezeugen, dass er das gesagt hat.“ Aber denkste! Kein einziger Zeuge bei dem Prozess gegen Jesus trug vor, dass Jesus so etwas behauptet hat! Wie leicht wäre das doch gewesen. Aber es ist nicht dazu gekommen, weil alle wussten, dass er niemals den göttlichen Namen JAHWES für sich in Anspruch genommen hat!
Aber wenn Vorsicht besser ist als Nachsicht, dann mag hier etwas Zurückhaltung der bessere Teil der Weisheit zu sein. Bevor wir voreilig zu der Schlussfolgerung kommen, dass diese Gegner Christi, die ihn immer wieder falsch verstanden haben, in diesem Fall jedoch recht gehabt haben, könnte es klüger sein, sich die Fakten anzuschauen. Deshalb wollen wir uns jetzt den hebräischen Text anschauen.
DER NAME GOTTES
Ist es gerechtfertigt, zu behaupten, dass Jesus in Johannes 8, 58 Anspruch auf den Namen GOTTES aus 2. Mose 3, 14 „ICH BIN“ erhoben hat? Exegetische Tatsache ist, dass der GOTT SICH Mose als ehyeh ăšer ehyeh offenbart hat, was im Hebräischen ein neutrales, in die Zu- kunft gerichtetes Verb ist und wörtlich als ICH WERDE SEIN, DER ICH SEIN WERDE zu über-setzen ist. Jedes Hebräisch Lexikon wird diese Tatsache bestätigen. Auch Robert Bowman, ein Verfechter der Dreieinigkeitslehre, war aufrichtig genug, dies in diesem Fall anzuerkennen. (1)
Ich habe einen Freund, der ein gebürtiger Hebräisch sprechender und in der hebräischen Sprache gebildeter Jude ist, der an Jesus Christus glaubt, und der an die Inspiration der alt- und neutestamentlichen Schriften glaubt. Uri erklärt, dass ehyeh am besten mit „ICH werde immer sein“ oder einfach mit „ICH werde sein“ zu übersetzen ist. Uri sagt, dass ăšer einfach nur ein Relativpronomen ist, das der, die oder das bedeutet. Dann wird das ehyeh wieder-holt, was von der Wirkung her das vorhergehende Erscheinen in gleicher Weise verändert, wie ein Adjektiv das dazugehörige Relativpronomen oder Nomen verändert. Uri erklärt, dass dies praktisch bedeutet, dass das zweite ehyeh in der Übersetzung nicht als Duplikat des ersten ehyeh übertragen werden sollte.
Konkret bedeutet das, dass 2. Mose 3, 14 ein ganz spezifischer Ausdruck ist, der nirgendwo sonst in der gesamten Bibel zu finden ist! Wann immer das Wort ehyeh alleine irgendwo im Alten Testament oder im hebräischen Neuen Testament erscheint, folgt darauf eine Präposi-tion, ein Nomen oder ein Verb, so wie man es im normalen Sprachgebrauch auch erwartet. Und tatsächlich taucht dieses Wort zwei Verse vorher in 2. Mose 3, 12 auf, wo GOTT zu Mose sagt: „ehyeh“, „ICH werde ja mit dir sein.“ Im Hebräischen kann dieses Verb „sein“ im Prä-sens als einzelnes Pronomen-Verb-Paar ohne Hinzufügung eines Verb-Infinitivs, einer Präpo-sition oder eines Nomens auf seiner Seite nicht konjugiert werden, so wie es bei den meisten anderen Verben möglich ist. Uri sagt, dass die in unseren Übersetzungen vorkommende Redewendung „ICH bin“ im Hebräischen strenggenommen überhaupt nicht existiert! 2. Mose 3, 14 ist einmalig in der ganzen hebräischen Bibel. Mein Freund stellt ausdrücklich fest, dass ehyeh ăšer ehyeh in unserer Sprache nicht als „ICH bin, der ICH bin“ übersetzt werden kann. (Hervorhebungen durch ihn) (2).
Außerdem ist er felsenfest davon überzeugt, dass das Septuaginta-Griechisch in 2. Mose 3, 14, „Ego eimi ho on“, niemals der persönliche hebräische Name von GOTT, von JAHWE, war und niemals sein kann. Es gibt keine griechische Entsprechung; es wurde auch niemals der Versuch unternommen, diesen persönlichen Namen der GOTTES … JAHWE zu übersetzen oder zu übertragen.
Unsere Übersetzungen weisen mit den Worten „ICH BIN, DER ICH BIN“ GOTT zu eingeschränkt aus. Diese Formulierung ist grammatisch gesehen geringwertiger, denn es begrenzt den lebendigen GOTT nur auf das Präsens, wohingegen GOTT erklärt, dass ER weit mehr ist als das. Das Griechisch der LXX versucht den Namen GOTTES mit seinem Ego eimi ho on zu erfassen, was wörtlich bedeutet: ICH BIN, DER IST. Es kann wahrheitsgetreu auch mit ICH BIN, DER SEIEND IST übersetzt werden.
Das beweist, dass es unmöglich ist, die ego eimi-Aussage Jesu in Johannes 8, 58 als die An-spruchserhebung auf den Namen GOTTES aus 2. Mose 3, 14 zu übersetzen. Wenn in unseren Bibeln die zweite Hälfte von 2. Mose 3, 14 so übersetzt wird, als sage GOTT: „So sollst du zu den Söhnen Israel sagen: Der ‚ICH BIN‘ hat mich zu euch gesandt“, dann haben die Überset-zer sich hier wieder große Freiheiten genommen, bezüglich dem, was der Text genau sagt. Auch die Septuaginta kann nicht übersetzt werden, als sage GOTT: „ICH BIN hat mich gesandt …“ Ihr Griechisch sagt: „DER SEIENDE hat dich gesandt …“ In Wirklichkeit taucht ICH BIN in Vers 14 überhaupt nicht auf.
Die grammatikalische Tatsache ist diese: Die Worte, die Jesus in Johannes 8, 58 ausgesprochen hat, kommen in dem Namen überhaupt nicht vor, den Mose nach dem Willen GOTTES den Israeliten mitteilen sollte!
GIBT ES EINE TAUGLICHE ALTERNATIVE ÜBERSETZUNG?
Es gibt eine verlockende Möglichkeit bei der griechischen Übersetzung der Aussage Jesu: „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ Dieses Griechisch lässt es durchaus zu, dass Jesus gesagt ha-ben könnte: „Ehe Abraham ins Sein kommt, bin ich.“ Das griechische Adverb prinmit dem Infinitiv-Aorist genesthai kann sich auf ein noch in der Zukunft liegendes Ereignis beziehen. Jesus spricht in der Nacht vor seinem Prozess zu Petrus mit der genau gleichen grammatischen Konstruktion: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen (prin mit Infinitiv-Aorist) (Matth 25, 34). Wir finden sie auch in Johannes 4, 49, wo der Beamte Jesus bittet: „Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt“ (prin mit Infinitiv-Aorist). An anderer Stelle sagt Jesus auch: „Und jetzt habe ich's euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es nun geschehen wird“ (Joh 14, 29).
Wollte Jesus also wirklich so verstanden werden, dass ehe Abraham ins Dasein kommt, --- d.h. ehe Abraham bei der Auferstehung wieder zum Leben erweckt wird --- ich der bin, der bereits vor Abraham in der Auferstehungsordnung leben wird?
Ich möchte diese reizvolle Möglichkeit nicht weiter verfolgen, aber grammatisch gesehen ist sie möglich. Egal, ob Jesus nun sagt, dass er höherstehender als Abraham ist, weil er in GOTTES Plan und Absicht eher als Abraham ist, oder ob Jesus prophezeit, dass er vor Abraham Anteil an der Auferstehung hat, - bei dem Streitgespräch an diesem Tag steht Jesus vor ihnen als einer, der Abraham übergeordnet ist. Für diese ungläubige Menge war dies äußerst respektlos und vollkommen absurd.
ZUSAMMENFASSUNG
Nimmt man den Kontext und die grammatikalischen Fakten zusammen, dann hat Jesus nicht den Namen GOTTES aus 2. Mose 3, 14 beansprucht. Dies ist eine durch nichts unterstützte Hypothese, die das Streitgespräch Jesu mit seinen Gegnern falsch darstellt. Die Behauptung, dass „Ich bin“ der Anspruch ist, GOTT zu sein, ist absurd, weil auch dann, wenn wir sagen, dass die Übersetzung „Ich bin“ legitim ist (was sie nicht ist), diese Worte immer noch nicht der persönliche Name GOTTES sind, denn viele andere Menschen in der Bibel sagen auch: „Ich bin …“
Wenn Jesus wirklich behauptet hat, der „ICH WERDE SEIN, DER ICH SEIN WERDE“ aus 2. Mose 3, 14 zu sein, dann hätte er behauptet, dass er JAHWE ist! Und das bedeutet, dass Jesus, „der nicht danach strebte, GOTT gleich zu sein“ (Phil 2, 6), sich jetzt in aller Öffentlichkeit zu dem allein wahren GOTT der Schrift macht! Doch JAHWE sagt strikt und bestimmt: „ICH bin JAHWE und sonst keiner. Außer MIR gibt es keinen Gott“ (Jes 45, 5). Man muss sich dann auch fragen, wenn Jesus behauptet hat, JAHWE zu sein, und damit auch der alleinige GOTT zu sein, wer dann der Vater ist? JAHWES Vater! Trinitarier zerstören mit dem Versuch, Jesus zu GOTT zu machen, ihre Dreieinigkeitslehre selbst!“ (3)
Außerdem ist es mit Sicherheit ein wackliges Fundament, wenn man sein ganzes Glaubenssystem auf den Behauptungen der Gegner Christi aufbaut! Warum sollte man dann ihnen nicht auch zustimmen, dass Jesus tobsüchtig war oder von Dämonen besessen, was natürlich Fragen sind, die einfach zu beantworten sind. Aber was drängt uns dazu, uns in diesem einen Falle auf den Standpunkt der Gegner Christi zu stützen? Kann es womöglich sein, dass wir uns nur die Rosinen aus dem Kontext herauspicken, die zu unserem Programm passen?
Alles was Jesus in Johannes 8, 58 zu seinen Gegnern sagt, ist, dass er derjenige ist, den Abraham als den Messias erkannt hätte, weil er bereits vor Abraham in GOTTES Plänen vorkam und Abraham den „Tag“ Jesu im Glauben sah. Den Kontext zu ignorieren, die grammatikalischen Fakten zu missachten, führt zu einer selbst ausgedachten Theologie! Es ist so, wie mein Freund Uri sagt: „Das große „ICH BIN“-Kartenhaus fällt in sich zusammen, wenn man es im Licht der grammatikalischen Beweise genauer untersucht. Es gibt keinen einzigen Vers im Johannesevangelium, in dem behauptet wird, das Jeshua GOTT ist. Im Gegenteil, an vielen Stellen finden wir die Aussage, dass er der Sohn des lebendigen GOTTES, der Messias und der König Israels ist.
Ich musste dir diesen Brief schreiben, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Jesus sich in deiner Predigt nicht wiedererkannt hätte, denn kein einziges Mal hat er behauptet: „Ich bin GOTT JAHWE“ oder „Ich bin Gott der Sohn“. Höflich möchte ich darauf hinweisen, dass nicht auf das Zeugnis von Jesus zu hören, bedeutet, ihn falsch wiederzugeben und ihn damit zu entehren, egal wie groß die Ernsthaftigkeit ist, mit der man das tut. Ich danke dir für dein Zuhören. Ich hoffe, dass meine Ausführungen zu einem liebevollen und ehrlichen Dialog führen können.
GOTTES Segen
Greg Fußnoten:
1. Bowman, Robert. Why You Should Believe in the Trinity. S.99.
2. Uriel ben--‐Mordechai, If? The End of a Messianic Lie. Above and Beyond, Ltd. Jerusalem, Israel. 2011. S. 175.
3. Chang, Eric. H. H. The Only Perfect Man: The Glory of God in the Face of Jesus Christ”. Edited & Completed by Bentley C.F. Chan. 2014, S. 278.
4. Modechai, Ibid, S. 21.
Von Greg Deuble
http://www.thebiblejesus.org/articles.html