Ist der Heilige Geist eine Person?
(Is the Holy Spirit a Person?) Von Servetus the Evangelical
Die meisten Christen glauben an die Dreieinigkeit, weil das die Lehre ihrer Kirchen und Gemeinden ist. Diese Lehre sagt, dass GOTT ein Wesen ist, das aus drei wesensgleichen und gleichewigen Personen besteht, - dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Der Heilige Geist wird also als vollwertige, eigenständige Person gesehen. Die Kirche hat dieses nicht von Anfang an so geglaubt. Während des 2. und 3. Jahrhunderts hat es unter den Kirchenvätern, den sogenannten „Apologeten”, keine Übereinstimmung über Wesen und Gestalt des Heiligen Geistes gegeben. Für die meisten von ihnen ist das überhaupt kein wichtiges Thema gewesen. In der Tat hat es unter den Christen die unterschiedlichsten Vorstellungen über den Heiligen Geist gegeben. Einige haben geglaubt, dass er eine unpersönliche Kraft ist; andere haben ihm volle Personalität zugeschrieben. Der bekannte Kirchengeschichtler Philip Schaff stellt fest: „Die Lehre vom Heiligen Geist war weit weniger entwickelt und ist bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts niemals Thema einer spezifischen Auseinandersetzung gewesen.“
Im Apostolischen Glaubensbekenntnis und im Nicänischen Glaubensbekenntnis heißt es nur: „Ich/Wir glauben ... an den Heiligen Geist.“ Wegen dieser Kürze erheben spätere Trinitarier auch nicht den Anspruch, dass ein Mensch daran glauben muss, dass der Heilige Geist eine eigenständige Person ist, wenn er ein Christ sein will.
Der arianische-nicänische Streit des 4. Jahrhunderts ist größtenteils in der griechischen Sprache abgehandelt worden. Alle drei in diesen Streit involvierten Parteien haben übereingestimmt, dass der Geist eine vom Vater und vom Sohn zu unterscheidende hypostasis (Subsistenz) ist. Für Arius ist das Wesen des Geistes ein anderes gewesen als das Wesen des Vaters oder des Sohnes. Eusebius von Cäsarea, der Verfasser der Kirchengeschichte, der ein Vertreter der mittleren Partei war, hat behauptet, dass der Geist vom Wesen her niedriger ist als der Vater und der Sohn, dass er „eine dritte geistige Substanz“ ist und an „dritter Stelle“ steht. Jannes Reiling stellt die biblische Lehre über den Heiligen Geist den oben angeführten Sichtweisen gegenüber, wenn er sehr richtig feststellt: „In der Bibel werden weder ruach noch pneuma als göttliche Namen verwendet. Sie werden nicht als göttliche Wesen angebetet. ... Das AT zeigt uns den Geist nicht als ein göttliches Wesen, das mit GOTT verbunden, jedoch unterschieden von IHM ist. Er handelt immer nur als ein Mittler zwischen GOTT und den Menschen. ... Im NT wird der Heilige Geist nicht als göttliches Wesen (hypostasis) vorgestellt, sondern als Werkzeug göttlichen Handelns oder göttlicher Offenbarung.“
James Dunn sagt unter Bezugnahme auf das Alte Testament: „‘Geist GOTTES‘ ist einfach eine Art und Weise davon zu sprechen, wie GOTT seine Absichten in seiner Welt und durch Menschen zur Ausführung bringt.“ Er fügt hinzu: „‘Geist GOTTES‘ bezeichnet im Judentum die Kraft und Macht GOTTES.“ Bezüglich der Schriften von Paulus und Johannes im Neuen Testament sagt er: „Die Vorstellung von dem Geist GOTTES als eine Kraft und Gegenwart (i.S. von GOTTES Gegenwart) ... dieser Gedanke ist fest etabliert. ... Aber den Geist als ein Wesen, das in jeglichem Sinne von GOTT unabhängig ist, den Geist als eine göttliche Hypostase zu denken, diese Vorstellung finden wir hier nicht.“
Im Anschluss an die Evangelien wird im Neuen Testament sehr oft davon geschrieben, dass Jesus neben GOTT (dem Vater) auf dessen himmlischen Thron sitzt; es wird aber kein einziges Mal erwähnt, dass der Heilige Geist ebenfalls dort sitzt. Wenn es die Dreieinigkeit wirklich gibt, müssten wir dann nicht erwarten können, dass es für diese drei Personen auch drei Throne oder drei Sitzplätze auf dem himmlischen Thron gibt? Die nichttrinitarische Theologin Ellen Flesseman-van Leer sagt, dass der Heilige Geist „kein unabhängiges Wesen neben GOTT ist, sondern der Nachweis für die aktive Gegenwart GOTTES in der Welt.“
Der Apostel Paulus hat in den einleitenden Grüßen seiner zehn neutestamentlichen Briefe (wir nehmen an, dass sie alle von ihm stammen) immer GOTT, den Vater, und Jesus Christus erwähnt, den Heiligen Geist jedoch nicht. Dieses Fehlen legt nahe, dass Paulus den Heiligen Geist nicht als Person angesehen hat.
Ein Grund, weshalb [englischsprachige] Trinitarier glauben, dass der Heilige Geist eine unabhängige Person ist, liegt darin, dass englischsprachige Bibeln gewöhnlich „Heiliger Geist“ und „Geist“ großschreiben, wenn er mit GOTT assoziiert wird. Allerdings haben die hebräische und die griechische Sprache in der Zeit, als die ersten Handschriften gefertigt worden sind, Groß- und Kleinschreibung nicht gekannt. Hinter dieser Großschreibung steckt also nicht mehr als nur die Interpretation der Übersetzer dieser Bibelausgaben, einfach nur, weil sie Trinitarier sind. Im Gegensatz zu ihnen schreiben Juden „heiliger Geist“ und „Geist“ nicht mit großen Anfangsbuchstaben, weil sie nicht glauben, dass diese Worte sich auf eine Person beziehen.
Manche Christen glauben auch, dass der Heilige Geist deshalb eine Person ist, weil fast alle Bibelübersetzungen dem Geist Personalpronomen zuordnen. Das beste biblische Beispiel ist das häufig vorkommende „er“, das Jesus in seiner Lehre über den Heiligen Geist in Johannes 14-16 gebraucht. Aber das Geschlecht, das dieses Pronomens im Griechischen hat, ist ohne Belang. Ob die Pronomen, die dem Heiligen Geist zugeordnet sind, [in der englischen Sprache] mit „he“ oder „it“ übersetzt werden sollen, ist vom Grundsatz her eine theologische Entscheidung. Das Gleiche gilt für das Pronomen ekeinos.
Der Binitarier C.F.D. Moule stellt bezüglich der Tatsache, dass die Bibel dem Heiligen Geist Personalpronomen zuordnet, fest: „Die Berufung auf die Schrift ... beweist nichts, was das ewige ‚Wesen‘ des Geistes angeht. Sie zeigt nur, dass ‚Geist‘ ein Wort für eine persönliche personengebundene Aktivität GOTTES ist.“ Moule schließt daraus: „Allein die Tatsache, dass Geist die Art und Weise ist, in der ein persönlicher GOTT gegenwärtig ist, scheint die Identifizierung des Geistes als eine wesensmäßige Person nicht erforderlich zu machen; ... das Beharren auf der Verwendung eines eine Person beschreibendes Pronomen [für den Heiligen Geist] ist unbegründet.“
Ein anderer Grund, weshalb die meisten Christen glauben, dass der Heilige Geist eine Person ist, ist der, dass die Bibel den Heiligen Geist personifizieren kann, so wie sie es auch mit dem Wort oder der Weisheit GOTTES tut. Wenn sie sagt, dass der Heilige Geist einige Dinge tut, wie zum Beispiel reden, dann muss dieses nicht als die Darstellung einer Person verstanden werden. Jesus hat einmal gesagt: „Darum hat auch die Weisheit GOTTES gesagt: Ich werde Propheten und Apostel zu ihnen senden ...“ (Luk 11, 49); er hat damit aber nicht beabsichtigt, der Weisheit eine Personalität zuzusprechen. Das beste Beispiel für die Personifizierung der Weisheit im Alten Testament finden wir in Sprüche 8 bis 9, 6.
Die Trinitarier Karl Rahner und Murray Harris gestehen mit Recht ein, dass das Neue Testament den Heiligen Geist nirgendwo als GOTT identifiziert. Einige Trinitarier glauben das fälschlicherweise in Apg 5, 3-4 zu sehen.
Die Bibel lehrt, dass der Mensch ein dreiteiliges Wesen ist, das aus Leib, Seele und Geist besteht. Da GOTT den Menschen in Seinem Bilde erschaffen hat (1. Mo 1, 26-27), muss der Geist des Menschen dem Geist GOTTES entsprechen. C.F.D. Moule stellt fest: „Es gibt eine gewisse Verwandtschaft zwischen GOTT und Mensch, - zwischen Geist und Geist.“ Ja, es sollte von der Schöpfung her verstanden werden, dass der Geist GOTTES für GOTT das ist, was der Geist des Menschen für den Menschen ist. Da der Geist des Menschen nach unserem heutigen Verständnis vom „Person sein“ keine Person ist, muss der Geist GOTTES das auch nicht sein. Vielmehr ist der Heilige Geist der Geist des Vaters (Matth 10, 20).
In meinem Buch The Restitution of Jesus Christ habe ich in einem Anhang 14 Seiten dem Thema „Die Natur des Heiligen Geistes“ gewidmet und darin 25 Theologen und ihre Werke zitiert, dazu noch 5 Kirchenväter.
Dieser Artikel stammt von Kermit Zarley (Servetus the Evangelical). Auf seiner Webseite – servetustheevangelical.com – kann man 50 solcher Artikel in englischer Sprache lesen. Sie sind eine Zusammenfassung seines sorgfältig recherchierten, biblisch in die Tiefe gehenden, 600-seitigen Buches mit dem Titel: The Restitution of Jesus Christ (2008)