Ist Jesus in Titus 2,13 GOTT?
(Is Jesus God in Titus 2.13?)
Von Servetus the Evangelical
Einige traditionalistisch eingestellte Neutestamentler verweisen auf 2. Thessalonischer 1, 12, Titus 2, 13 und 2. Petrus 1, 1, um damit ihren Glauben zu untermauern, dass Jesus GOTT ist. Diese drei Verse haben einen ähnlichen Satzbau, der sie etwas mehrdeutig erscheinen lässt. Die Diskussion zwischen den Traditionalisten und Nichttraditionalisten (Trinitariern und Nichttrinitariern) über diese drei Abschnitte betrifft allerdings nur eine kurze Redewendung und ihre Grammatik. Viele Traditionalisten, die Titus 2, 13 als Unterstützung für ihre Sicht, dass Jesus GOTT ist, zitieren, streiten allerdings ab, dass dies auch in 2. Thessalonicher 1, 12 und 2. Petrus 1, 1 ausgesagt wird.
Viele Traditionalisten behaupten, dass Titus 2, 13 nach Römer 9, 5b der zweitwichtigste paulinische Text ist, der beweisen würde, dass Jesus GOTT ist. Der vollständige Vers lautet in der King James Version (KJV): „warten auf diese selige Hoffnung und herrliche Erscheinung des großen GOTTES und unseres Heilands Jesus Christus“. Etwas anders liest er sich in der New American Standard Bible (NASB): „warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus.“
Die für die Christologie entscheidenden Worte in Titus 2, 13 sind die letzten vier bzw. fünf Worte dieses Satzes. In der NASB und anderen Bibelübersetzungen wird Jesus hier „GOTT” genannt, während in der KJV und anderen dies nicht gesagt wird. Mit der „seligen Hoffnung“ ist die zukünftige Auferweckung der verstorbenen Menschen gemeint (vergl. 1. Thess 4, 13- 18). Dieses Geschehen wird die Wiederkunft Christi begleiten, die Paulus hier „die Erscheinung“ nennt.
Für die Sichtweise, dass Paulus in Titus 2, 13 Jesus „GOTT” genannt haben soll, werden folgende Gründe genannt (Widerlegungen sind gleich angefügt):
1. Die Granville Sharp Regel der griechischen Grammatik. Nach ihr erfordert die Tatsache, dass dem Wort soteros (Heiland) kein bestimmter Artikel vorangeht, dass es mit dem Wort theou (GOTT) zu verbinden ist, wodurch beide Worte dann auf Christou Iesou(Christus Jesus) bezogen werden.
Widerlegung: a) Viele Grammatiker aus jüngerer Zeit haben darauf hingewiesen, dass diese Sharp Regel zweifelhaft ist. Zum Beispiel räumt Nigel Turner (Griechischgrammatiker und Traditionalist) ein: „Leider können wir nicht sicher sein, dass in dieser Periode der griechischen Sprache diese Regel wirklich maßgebend gewesen ist.“ J.N.D. Kelly fügt hinzu: „Das Fehlen des Artikels kann nicht als maßgebend betrachtet werden, denn ‚Heiland‘ hatte die Tendenz, ohne Artikel zu sein (Vergl. 1. Tim 1, 1); auf jeden Fall ist der korrekte Gebrauch des Artikels im späten Griechisch verschwunden.“
b) Andere Grammatiker behaupten, dass es eine Ausnahme in dieser Sharp Regel gibt, in der der zweite Artikel weggelassen werden kann, wenn der Autor weiß, dass seine Leser einen Unterschied zwischen den Subjekten voraussetzen werden.
2. Weil der Ausdruck tou megalou theou (der große GOTT) an keiner anderen Stelle des Neuen Testaments auftaucht, scheint es angebrachter zu sein, ihn auf Jesus als auf den Vater zu beziehen.
Widerlegung: a) Jesus wird im Neuen Testament nur dann „groß” genannt, wenn er indirekt mit anderen Menschen verglichen wird. Und weil er gesagt hat: „Der Vater ist größer als ich“ (Joh 14, 28), scheint es angebrachter zu sein, den Ausdruck „der große GOTT“ als Referenz für GOTT, den Vater, zu nehmen.
b) In diesem Kontext scheint es auch passender zu sein, GOTT, den Vater, „groß“ zu nennen, da ER die herrliche Wiederkunft Christi veranlassen wird (1. Tim 6, 14-15).
3. Das griechische Neue Testament bezieht bezüglich der Übersetzung „die herrliche Erscheinung des großen GOTTES“ das Wort Epiphaneia (Erscheinen) niemals auf GOTT, den Vater.
Widerlegung: Im Neuen Testament, in den Paulusbriefen, wird das Wort „Epiphaneia“ tatsächlich fünf Mal auf Christus und niemals auf den Vater bezogen. Dieser Sprachgebrauch macht es daher erforderlich, dass epiphaneian tes doxes besser mit „die Erscheinung der Herrlichkeit“ übersetzt werden sollte als mit „der herrlichen Erscheinung“, was die Aussage unterstützt, dass „die Erscheinung“ die „Herrlichkeit“ ist und nicht „der große GOTT“.
4. In neutestamentlicher Zeit hat man den Ausdruck „Gott und Heiland“ auf einige römische Kaiser bezogen, so dass es auch für Paulus ganz normal gewesen sein wird, das gleiche auch von Jesus zu sagen.
Widerlegung: Wenn Paulus Jesus GOTT genannt hat, dann wäre das ein schwerwiegendes theologisches Abweichen von seinem streng monotheistischen jüdischen Hintergrund gewesen, das eine ausführlichere Erklärung notwendig gemacht hätte. Nebenbei bemerkt: Paulus hätte seine Theologie bestimmt nicht auf der Grundlage von Titeln entwickelt, die heidnischen Herrschern zugesprochen worden sind.
Theologen, die nicht glauben, dass Paulus Jesus in Titus 2, 13 „GOTT“ genannt hat, argumentieren - wie auch bei Römer 9, 5b - meistens im Einklang mit den Lehren und Gepflogenheit, die Paulus in seinen anderen Briefen erwähnt hat. So sagt J.E. Huther zum Beispiel zu diesem Thema in Titus 2, 13: „Dieses kann nicht auf rein grammatischer Grundlage entschieden werden ... Die Frage kann nur unter Berufung auf den neutestamentlichen Sprachgebrauch beantwortet werden.“
Gründe für die Sichtweise, dass Jesus in Titus 2, 13 nicht „GOTT“ genannt wird, sind folgende:
1. Da megalou theou (großer GOTT) soteros (Heiland) vorausgeht und hemon (unseres) im griechischen Text soteros folgt, scheint es so zu sein, dass „unseres“ nur den „Heiland“ näher bestimmt, so wie es in der KJV übersetzt worden ist.
2. Das Wort „unseres“ bestimmt sehr viel wahrscheinlicher „Heiland“ näher und nicht „GOTT“, weil das Neue Testament die folgenden Aussagen nicht enthält: „Unser Gott Jesus Christus“, „der Gott Jesus Christus“ oder „Jesus Christus, unser Gott“. Wenn die neutestamentlichen Verfasser geglaubt haben, dass Jesus Christus GOTT gewesen ist, dann müsste man er- warten können, dass diese einfachen Bezeichnungen auch in ihren Schriften erscheinen.
3. Das Wort theos (GOTT) taucht in den zehn neutestamentlichen Briefen des Apostels Paulus über 500 Mal auf. Abgesehen von Römer 9, 5 und Titus 2, 13 hat er es immer auf den Vater und niemals auf Christus bezogen.
Widerlegung: Murray Harris behauptet: „Jedem neutestamentlichen Autor muss der Luxus eines bestimmten stilistischen, verbalen oder theologischen Abweichens von seinem gewohnten Gebrauch zugestanden werden.“
4. Paulus hat in all seinen Schriften durchgängig und wiederholt immer zwischen „GOTT“ und „Jesus Christus“ als zwei verschiedene und eigenständige Personen oder Wesen unterschieden. Er wird diesen Unterschied deshalb wohl auch in vielleicht nur zwei Fällen – in Römer 9, 5 und Titus 2, 13 - nicht verwischt haben. Johannes Schneider und Colin Brown erklären folgerichtig, dass in Jesus in Titus 2, 13 zwar „GOTT“ genannt werden könnte, weil es „linguistisch möglich ist, aber andererseits widerspricht es der streng beibehaltenen Unterscheidung zwischen GOTT und Christus in den Pastoralbriefen.“
5. Der Bezug des Adjektivs „groß“ auf „GOTT“ weist darauf hin, dass „GOTT“ eine unabhängige Person ist, die von „Christus Jesus“ unterschieden werden muss. Obwohl eine kleine Mehrheit von Bibelübersetzern und Neutestamentlern Titus 2, 13 so übersetzt, als würde Jesus „GOTT“ genannt, sollte die in den Briefen des Apostels Paulus vorherrschende Gepflogenheit der ausschlaggebende Faktor sein und Jesus in dieser grammatikalisch nicht eindeutigen Aussage nicht „GOTT“ genannt werden.
Dieser Artikel stammt von Kermit Zarley (Servetus the Evangelical). Auf seiner Webseite – servetustheevangelical.com – kann man 50 solcher Artikel in englischer Sprache lesen. Sie sind eine Zusammenfassung seines sorgfältig recherchierten, biblisch in die Tiefe gehenden, 600-seitigen Buches mit dem Titel: The Restitution of Jesus Christ (2008)