Ist Jesus in Römer 9,5 GOTT?
(Is Jesus God in Romans 9.5?) Von Servetus the Evangelical
Trinitarische Theologen berufen sich häufig auf Römer 9, 5 als einen der wichtigen neutestamentlichen Texte, die Jesus „GOTT” nennen. Dieser Bezug ist aber umstritten, weil diese Passage im koine-griechischen Text ein grammatikalisches Problem enthält. F.C. Burkitt sagt, dass die „Punktation (Zeichensetzung) dieses Verses sehr wahrscheinlich mehr diskutiert worden ist, als die Punktation irgendeines anderen Satzes in der Literatur.“ Wir können diesen Unterschied sehen, wenn wir zwei Ausgaben der gleichen englischsprachigen Bibel vergleichen. In der Revised Standard Version (RSV) hat man Röm 9, 5 wie folgt übersetzt: „zu ihnen gehören die Väter und aus ihrem Geschlecht ist dem Fleisch nach der Christus. GOTT, der über allem ist, sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.“ Diese Bibelausgabe unterscheidet Christus und GOTT als zwei verschiedene Personen; man spricht hier auch von der „Zwei Personen-Sicht“, nach der Christus in diesem Vers nicht „GOTT“ genannt wird. Aber in der New Revised Standard Version (NRSV) heißt es dann: „zu ihnen gehören die Väter und von ihnen kommt dem Fleisch nach der Messias, der über allem ist, GOTT, gepriesen in Ewigkeit. Amen.“ Diese Bibelausgabe präsentiert uns die „Eine Person-Sicht“, in der der Messias Jesus „GOTT“ genannt wird.
Das Problem ist in der griechischen Sprache zu finden. Als Paulus seinen Brief im 1. Jahrhundert geschrieben hat, hat es in dem damaligen Griechisch noch keine Zeichensetzung gegeben, auch keine Lücken zwischen den Buchstaben. Alles hat man in Großbuchstaben geschrieben. In der Fachsprache wird diese Schriftform Unzialschrift genannt. Bis zum 3. und 4. Jahrhundert waren in der griechischen Schrift noch keine Satzzeichen, Zwischenräume, Klein- und Großschreibung integriert. Grammatikexperten für das Neue Testament geben daher zu, dass man die richtige Übersetzung dieses Satzteiles nicht auf eine griechische Grammatik stützen kann, die es damals ja noch nicht gab.
Die Frage, wie der griechische Text in Römer 9, 5 b mit Satzzeichen versehen und in unsere Sprache übersetzt werden muss, könnte etwa wie folgt lauten: Sollte nicht in dem nicht mit Satzzeichen versehenen älteren griechischen Text nach dem Wort sarka (Fleisch) in Übereinstimmung mit dem späteren interpunktierten Griechisch ein Strichpunkt oder ein Punkt eingefügt werden? Wenn dieses so richtig sein sollte, dann beginnt danach ein unabhängiger neuer Satz, - ein Lobpreis GOTTES des Vaters; dieser Satz nennt Christus dann auch nicht „GOTT“. Weil Röm 9, 5b sowohl GOTT und Christus erwähnt, - GOTT ist vermutlich der Vater -, nennt man diese Übersetzungsvariante die „Zwei Personen-Sicht“. Wenn aber ein anderes Satzzeichen nach sarka einfügt wird, zum Beispiel ein Komma, oder wenn in diesem Satz an ganz anderer Stelle ein Zeichen gesetzt wird, dann behält dieser Vers Christus im Blick. In diesem Fall wird er zu einer Lobpreisung Christi und nennt ihn daher „GOTT“. Diese Variante ist die „Eine Person-Sicht“. Eine untergeordnete Frage in Bezug auf Röm 9, 5b ist die Frage, ob die Zuschreibung, die gewöhnlich mit „der über allem ist“ übersetzt wird, auf „Christus“ oder auf „GOTT“ bezogen werden sollte.
Gründe, weshalb Theologen die Eine Person-Sicht bevorzugen, sind folgende:
1. Fast alle Kirchenväter sind der Meinung gewesen, dass Röm 9, 5b Christus „GOTT“ nennt.
2. Eine Lobpreisung GOTTES wäre in Röm 9, 5b in Anbetracht des Kummers und Schmerzes, den Paulus zuvor in den Versen 1-3 zum Ausdruck gebracht hat, unangebracht.
2. Eine Lobpreisung GOTTES wäre in Röm 9, 5b in Anbetracht des Kummers und Schmerzes, den Paulus zuvor in den Versen 1-3 zum Ausdruck gebracht hat, unangebracht.
3. Die übliche Wortreihenfolge alttestamentlicher Doxologien, die sich auf GOTT den Vater beziehen, wird hier nicht verwendet, in denen das Wort „geheiligt“ „HERR/GOTT“ vorangeht.
4. In anderen paulinischen Doxologien wird das Wort „GOTT“ niemals zuerst erwähnt.
5. Paulinische Doxologien sind nie asyndetisch (nicht durch eine Konjunktion verbunden), wie hier, was deshalb unnatürlich wäre und das artikulare Partizip ho on („der ist“) zu übersetzen, wäre überflüssig.
Gründe, weshalb andere Theologen die Zwei Personen-Sicht bevorzugen, sind diese:
1. Paulus, ein früherer Pharisäer, kann Christus nicht „GOTT“ genannt haben, da ein strenger Monotheismus immer noch ein dominierendes Merkmal seiner Theologie geblieben ist.
2. Paulus kann Jesus Christus nicht „GOTT“ genannt haben, weil er durchgängig in diesem Brief, wie auch in allen anderen seiner neutestamentlichen Briefe, zwischen GOTT und Jesus Christus unterschieden hat.
3. Paulus hat in keinem seiner zehn Briefe Christus direkt „GOTT“ genannt. Doch für den Vater hat er das Wort theos (GOTT) über 500 Mal gebraucht.
4. Paulus würde Christus ohne Erklärung nie „GOTT“ nennen. Noch weniger würde er dieses in diesem kurzen Satz tun, mit dem er eine Abhandlung über ein ganz anderes Thema beginnt, in dem es speziell über Israel geht.
5. Sechs von den insgesamt sieben anderen Lobpreisungen in den Paulusbriefen sind klar und eindeutig an GOTT den Vater gerichtet, was das gleiche auch hier in Röm 9, 5b nahelegt.
6. Paulus hat nie den griechischen Ausdruck epi panton („über allem“) oder das davon abgeleitete Wort pantokrator („Allmächtiger“) für Christus verwendet; auch kein anderer neutestamentlicher Autor hat dieses getan. Es würde seiner Aussage widersprechen, dass Christus GOTT untergeordnet ist (1. Kor 3, 23; 11, 3; Eph 4, 6).
7. Nimmt man die Worte „GOTT über allem”, so führt uns das zu anderen alttestamentlichen Parallelen, wie solchen in Psalm 104, 19-20 und 1. Chron 29, 11-12, die hier eine Lobpreisung GOTTES nahelegen.
8. Paulus hat das griechische Wort eulogetos („gepriesen/hochgelobt“) nie für Christus verwendet, auch kein anderer neutestamentlicher Schreiber hat dieses getan. In allen anderen sieben Fällen im Neuen Testament wird es auf GOTT den Vater bezogen.
9. An anderer Stelle schreibt Paulus davon, dass GOTT der „alleinige Machthaber“ ist (1.Tim 6, 15), was nicht dazu passt, dass Christus „über allem“ ist.
10. Ein Christus, der in die Aufzählung von acht Vorzügen eingeschlossen ist, die GOTT Israel gegeben hat, passt nicht zu der Beschreibung, dass er den speziellen Vorzug als „GOTT über allem“ hat.
Die Mehrheit der Kommission der United Bible Societies` Greek New Testament hält keinen der o.a. Gründe für die Eine Person-Sicht für „maßgeblich“ und erachtet es für „geradezu unmöglich“, dass Paulus Christus „hochgelobter GOTT in Ewigkeit“ genannt hat.
Man darf aus dem oben Gesagten schließen, dass Röm 9, 5b nicht eindeutig ist, weil die ältesten und daher zuverlässigsten griechischen Handschriften des Neuen Testaments ausschließlich in Großbuchstaben und ohne Satzzeichensetzung geschrieben worden sind. Die klaren Aussagen, die Paulus an anderen Stellen zu dem gleichen Thema gemacht hat, wie zum Beispiel in 1. Kor 8, 6 und Eph 4, 5-6, sollten darauf hinweisen, was er in Röm 9, 5b gemeint hat. Dazu kommt, dass er immer wieder einen strickten Monotheismus vertreten und Christus und GOTT voneinander unterschieden hat. Christus hat er GOTT untergeordnet und GOTT hat er als den Vater identifiziert, was doch darauf hinweist, dass er hier in Röm 9, 5b nicht die Absicht hatte, Christus „GOTT“ zu nennen. Ungeachtet dessen sollte dieser, von der Grammatik her, nicht eindeutige Vers nicht als Beweistext für die Unterstützung des traditionellen Glaubens, dass Jesus Christus GOTT ist, herangezogen werden.
Dieser Artikel stammt von Kermit Zarley (Servetus the Evangelical). Auf seiner Webseite – servetustheevangelical.com – kann man 50 solcher Artikel in englischer Sprache lesen. Sie sind eine Zusammenfassung seines sorgfältig recherchierten, biblisch in die Tiefe gehenden, 600-seitigen Buches mit dem Titel: The Restitution of Jesus Christ (2008)