Jesus einen Leib bereitet? (Hebräer 10,5)
Der Hebräerbrief schreibt: "Darum, als er in die Welt kommt, spricht er: "Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet;" (Hebräer 10,5 Elb). Es handelt sich um ein Zitat aus den Psalmen: "An Opfern- und Speisopfern hast du keine Lust; Meine Ohren hast du geöffnet: Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert." (Psalm 40,7 Jewish Publication Society). Die Septuaginta übersetzt in der Orth. Lesart "Leib".
Lässt sich dieser Text hinsichtlich der Präexistenz auslegen? Hat der himmlische Vater einem Geistwesen einen Leib bereitet? Was haben die "Ohren" mit dem "Leib" zu tun?
Es handelt sich hier um ein Zitat aus der Septuaginta, eine Übersetzung aus den damaligen hebräischen Schriften. In der christlichen Theologie wird angenommen, dass es sich durch die Aussage „einen Leib aber hast du mir bereitet“ um die Inkarnation des Messias handeln muss. Der Kontext von Psalm 40,7ff behandelt aber das Hören und das Tun des Gesetzes. Ob nun "Ohr" oder "Leib" dort geschrieben steht, macht von der Bedeutung her keinen Unterschied. Der hebräische Text lautet wörtlich "Du hast meine Ohren gegraben" oder "Du hast meine Ohren durchbohrt". Gott hat dem betreffenden die Ohren geöffnet, damit er die Thora besser hören kann und besser fähig ist, die Gebote zu befolgen. Der Septuaginta-Text besagt somit dasselbe wie der hebräische Text, nämlich vorbehaltlos den Willen Gottes zu tun und seine Thora zu gehorchen. Gott hat dem Menschen "Ohren" und einen "Leib" gegeben, damit sie seinen Willen tun.
Dem Wesen nach war das Opfer ein Zeichen und Unterpfand der Liebe und Zuneigung. Die Entartung des Opfergedankens ist der irrige Glaube, man könnte sich die Vergebung Gottes erkaufen. David hätte eine Unzahl von Opfer geben können von seinem Besitz. Dies wollte Gott nicht, da es sehr schnell ein halbherziges Handeln werden kann für Sünde einfach ein Tier zu opfern, wenn man genug davon hatte. Vielmehr hat Gott David gezeigt, dass Gehorsam, wie auch ein Hören und Handeln nach dem Gesetz wichtiger ist als Opferungen. Gott erwartet von den Menschen Gehorsam (1Sam 5,22; Ps 50,14; Ps 51,18-19; Hos 6,6; Jes 1,11-17; Mi 6,6-8).
Christus ist dieses vollkommene und einmalige Sühneopfer (Hebräer 10,14) womit der himmlische Vater die Thora des Mose zur Thora des Messias (Gal 6,2; 1Kor 9,21) vollendet hat. Der Willen Gottes zu tun bedingt Vertrauen in den Heilsplan Gottes (Röm 1,17; Eph 2,8-10; Phil 2,12-14). Mit Fragen zur Präexistenz hat der Versabschnitt nichts zu tun.
William Barclay: Brief an die Hebräer, S. 120-123.
David H. Stern: Kommentar zum Jüdischen Neuen Testament, Band 3. S. 71-73